Niedernberger Unparteiischer Jeffrey Spiegel über das Kampfrichter-Wesen, seine Karriere und erneute Olympia-Chance
Jeffrey Spiegel hat im Ringen das Nonplusultra erreicht: 2021 nahm er an den Olympischen Spielen in Tokio teil. Dies nicht als Athlet, aber dennoch und buchstäblich hautnah dran am Geschehen auf der Matte: Der Niedernberger - verheiratet, ein Kind, Ingenieur in der Automobil-Branche - war als Kampfrichter dabei. Ob ihm das bei den Sommerspielen 2024 in Paris erneut vergönnt sein wird, ist noch offen. Auch darüber hinaus hat der 35-Jährige, der seit Herbst 2021 Kampfrichter-Referent des Deutschen Ringer-Bundes ist, jede Menge zu erzählen. Im Gespräch mit unserem Medienhaus hat er sich dafür Zeit genommen.
Jens Dörr: Herr Spiegel, neben Olympia 2021 haben Sie bei den Männern schon auf zwei Europameisterschaften und einer Weltmeisterschaft gepfiffen. Wie alle Kampfrichter mussten aber auch Sie ganz klein angefangen. Wie hat Ihre Karriere begonnen?
Spiegel: Ich war früher Jugendringer beim KSC Germania Niedernberg. Schon damals hat es mich gereizt, die Regeln genauer zu verstehen. Deshalb bin ich 2004 als Kampfrichter eingestiegen. Damals war ich mit 16 Jahren ein Exot. Heute ist das viel durchlässiger, können schon 13-Jährige mit dem Pfeifen beginnen. Meine Laufbahn hat sich danach in einem kontinuierlichen Prozess entwickelt. Der Sport, die Sportler und die Regeln wandeln sich stetig, da muss man mitgehen. Auch die Menschenführung lernt man Stück für Stück. Sie bleibt immer eine Herausforderung. Zumal man bis zum Viertelfinale, ab dem ein Dreiergespann eingesetzt wird, ja sogar in der 1. Bundesliga alleine pfeift - manchmal vor 1000 Zuschauern in der Halle. Der Sport, die Sportler und die Regeln wandeln sich stetig, da muss man mitgehen.
Stichwort Bundesliga: Dort pfeifen Sie seit 2007.
Spiegel: In diesem Jahr habe ich meine Bundesliga-Lizenz gemacht. Mein Bundesliga-Debüt habe ich beim Zweitliga-Kampf zwischen der RWG Mömbris/Königshofen II und dem TSV Gailbach gegeben. 2013 folgte dann der Sprung in die 1. Bundesliga, 2015 die Lizenz des Weltverbands United World Wrestling bei der Veteranen-WM. Ein Höhepunkt meiner Laufbahn war 2018 die Jugendolympiade in Buenos Aires.
Apropos Olympia: Wie realistisch ist Ihre erneute Nominierung für die Spiele 2024 in Paris?
Spiegel: Das ist schwierig zu sagen - wer weiß, was in einem Jahr ist? Du weißt nie, was der Weltverband vorhat, weißt nie, ob du aus irgendeinem Grund durchs Raster fällst. Zum Beispiel sollen ja auch auf der olympischen Bühne mehr Frauen gefördert werden, was beispielsweise eine Chance für unsere hiesige Kampfrichterin Ramona Scherer ist. Es gibt da aber einfach Sachen, die man nicht beeinflussen kann. Es bringt daher nichts, zu verkrampft ranzugehen. Ich würde aber natürlich gern erneut an den Olympischen Spielen teilnehmen. Auch werde ich dieses Jahr sicher eine WM bekommen. Trotzdem: Es ist und bleibt alles ein Hobby und muss auch zu Familie und Beruf passen.
Für Ihre Leidenschaft opfern Sie inzwischen auch abseits der Matte viel Zeit: Als Referent fürs Kampfrichter-Wesen gehören Sie dem Präsidium des Deutschen Ringer-Bundes an. Was sind Ihre wichtigsten Aufgaben in dieser Funktion?
Spiegel: Zunächst einmal verstehe ich mich als Teamplayer innerhalb der DRB-Kampfrichter-Kommission. Ich nehme zum Beispiel die Ansetzungen der Kampfrichter für die Bundesliga-Kämpfe und die deutschen Meisterschaften vor. Aktuell haben wir in Deutschland 63 Kampfrichter mit einer Bundesliga-Lizenz, darunter sieben Frauen. Auch diese Kampfrichter werden noch einmal jährlich in verschiedene Kategorien eingeteilt. In der Kommission kümmern wir uns um ihre Aus- und Fortbildung, führen Lehrgänge, Prüfungen und Bewertungen durch. Wir schauen dabei ständig, wo noch Schulungsbedarf herrscht, um sie besser zu machen. Außerdem beobachten wir, wen wir von den jungen Leuten besonders fördern und entwickeln können. Irgendwann brechen oben ja die erfahrenen Leute weg.
Wo sehen Sie die deutschen Kampfrichter im internationalen Vergleich?
Spiegel: Das deutsche Kampfrichter-Wesen gehört zu den besten der Welt. Ich würde sagen, hier sind wir unter den vier, fünf Top-Nationen. Gerade die Amerikaner, Russen, Japaner und Türken haben auch sehr gute Kampfrichter. Wobei man merkt, dass besonders die Bundesliga unsere Leute stark macht ...
Wie meinen Sie das?
Spiegel: Neben unserer guten Ausbildung müssen sie in der Bundesliga, wie geschildert, meist alleine klarkommen, und dies teils vor großer Kulisse und damit unter großem Druck. Außerdem gibt es in unseren Mannschaftskämpfen - anders als bei vielen Turnieren im Ausland - einen ständigen Wechsel von Duellen im freien und im griechisch-römischen Stil. Unsere Kampfrichter schauen kurz auf den Kampfbericht und wissen, welche Stilart im nächsten Kampf dran ist. Das trägt viel zur Flexibilität und Regelfestigkeit bei und macht uns stärker!
(Main-Echo Bericht von Jens Dörr, 31.3.2023)
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